„Höchste Weinviertler Ansprüche an Produkt, Produktion, Abwicklung und Vermarktung“ sind die Ziele von WEINVIERTELPLUS, dem ersten derart umfassenden und speziell an den Winzerbetrieb angepassten Qualitätsmanagementsystem in Österreich. 2008 wurden die ersten Winzerbetriebe im Qualitätsstandard WEINVIERTELPLUS zertifiziert. Zeit für eine Bilanz nach dem ersten Jahr: Der Aufwand der Zertifizierung lohnt sich für die Winzer, das Feedback von Konsumenten und Handel ist sehr positiv.
Warum WEINVIERTELPLUS
Das Weinkomitee Weinviertel hat 2007 in Begleitung des Instituts für Marketing und Innovation der Universität für Bodenkultur Wien den Qualitätsstandard WEINVIERTELPLUS erarbeitet. „Dieser Standard ist mehr als nur ein transparentes Beurteilungssystem für Weinviertler Weinbaubetriebe“, hält Weinbaupräsident Josef Pleil fest. „Wir haben auf die aktuellen Veränderungen am Markt und die Überflutung der Konsumenten mit Informationen reagiert und ein wertvolles Orientierungssystem geschaffen. Auch werden die gesetzlichen Vorgaben immer strenger, um den Konsumenten noch weiter zu schützen. Die Herkunft wird immer wichtiger und damit steht auch die Rückverfolgbarkeit der Produkte an oberster Stelle. WEINVIERTELPLUS führt alle diese Auflagen und Forderungen der Konsumenten nach einer Orientierungshilfe in einem klaren Qualitätsstandard zusammen. Die erfolgreiche Etablierung dieses Standards ist ein richtiger und auch sehr wichtiger Schritt für das Weinviertel.“
Roman Pfaffl, Obmann des Regionalen Komitees und selbst namhafter Winzer im Weinviertel, war führend an der Schaffung des Qualitätsstandards beteiligt: „Eine wichtige Aufgabe des Regionalen Komitees ist die Sicherung der Produktqualität und die Unterstützung der Betriebe bei ihrer qualitativen Weiterentwicklung. WEINVIERTELPLUS ist ein Leitfaden, an dem sich ein Betrieb orientieren kann: wo stehe ich und wo sollte ich etwaige Verbesserungen durchführen, um auf der Erfolgsleiter weiter nach oben zu kommen. Der Standard ist ein transparentes Beurteilungssystem, bei dem die Weinqualität an erster Stelle steht – als Orientierungshilfe für den „reizüberfluteten“ Konsumenten.“ Pfaffl erwähnt den treffenden Vergleich einer Weinviertler Winzerin mit der Hotelklassifikation: „Nicht jeder möchte immer in einem 5-Sterne-Hotel übernachten, aber gerne orientieren wir uns an der Anzahl der „Sterne“ eines Hotels, die uns helfen, uns in einem unüberschaubarem Angebot zurecht zu finden.“
WEINVIERTELPLUS in der Praxis
Nur ein Jahr nachdem das Konzept erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, sind nun die ersten Betriebe nach dem Qualitätsstandard WEINVIERTELPLUS zertifiziert. Im Frühjahr 2008 gab es eine große Informationskampagne, der Qualitätsstandard wurde bei allen Weinbautagen im Weinviertel vorgestellt. Parallel dazu gab es Einführungsseminare, bei denen die einzelnen Anforderungen von Vortragenden der Universität für Bodenkultur, Weinbauberatern und Mitgliedern des Weinkomitees vorgestellt wurden. Rund 70 Betriebe nahmen an diesen Seminaren teil, sie alle wollen ihr Weingut in den nächsten Jahren nach WEINVIERTELPLUS zertifizieren lassen.
WEINVIERTELPLUS ist ein ganzheitliches Betriebskonzept, das die Stärken und Schwächen eines Betriebes analysiert. Aufgrund dieser Ganzheitlichkeit ist eine rasche und vollständige Umsetzung der Ergebnisse zumeist nicht in ein paar Wochen zu realisieren. Das Konzept ist langfristig und stellt ein Hilfsmittel zur qualitativen Weiterentwicklung der Betriebe im Weinviertel dar. Der Standard kann auch als Checkliste angesehen werden, die jeden Bereich des Weingutes mit Hilfe eines detaillierten Anforderungskataloges analysiert. Dadurch bekommt der Winzer einen guten Überblick über seine Aktivitäten, die er über das Jahr verteilt setzt, sei es im Marketing, im Weingarten oder seine Arbeiten im Keller. So sieht der Betrieb sofort, wo oder welche Arbeitsweise er in seinem Betrieb adaptieren sollte und in welche Richtung sich der Betrieb in den nächsten Jahren entwickeln kann.
Prof. Siegfried Pöchtrager von der Universität für Bodenkultur Wien hat in der Entwicklung viel fachliches Know-how in den Standard eingebracht: „Die Analyse des Weingutes – vom Weingarten bis zur Vermarktung und Präsentation – bedarf einer genauen Betrachtung jedes einzelnen Bereiches. Viele Prozesse im Betrieb müssen aufgezeichnet und noch genauer kontrolliert werden. Die meisten geforderten Tätigkeiten, Prozesse, Abläufe wie beispielsweise die laufende Verkostung der Weine werden ohnehin in den Betrieben durchgeführt – bei der Aufzeichnung dieser Arbeiten war man dagegen vor der Zertifizierung nicht so rigoros und konsequent. Die laufend zu führenden Aufzeichnungen sind sicher mit die größten Herausforderungen im Rahmen der Vorbereitung auf das Audit. Dennoch stellt gerade das einen der zentralsten Punkte des Systems dar. Daraus lässt sich für den Betrieb das größte Potenzial ableiten, davon profitiert der Winzer am meisten. Dass dies aber auch der schwierigste Teil ist, darin waren sich alle zertifizierten Betriebe einig!“ Um die größtmögliche Sorgfalt walten zu lassen, entschied sich das Weinkomitee unabhängige und äußerst kompetente Partner zur Auditierung ins Boot zu holen. Die DLG Testservice GmbH auditiert bereits seit Jahren äußerst erfolgreich Weingüter in Europa, maßgeblich in Deutschland. Höchste Fachkompetenz und aufschlussreiche Diskussionen durch den Auditor und zufriedene Winzer bestätigen die gute Wahl der deutschen Kontrollstelle.
Hohe Zufriedenheit bei geprüften Betrieben
Im Jahr 2008 wurden die ersten Pioniere zertifiziert: Pfaffl in Stetten, Setzer in Hohenwarth, Gschweicher in Röschitz und Walek in Poysdorf. Ein zentraler Punkt für Winzer Gerhard Walek etwa ist die durch den Standard verbesserte Rückverfolgbarkeit im Betrieb. „Ich kann den Qualitätsstandard als wichtiges Argument bei meinen Händlern in Deutschland einsetzen, weil somit eine lückenlose Rückverfolgbarkeit meiner Weine gewährleistet und „verbrieft“ wird.“ Das Weingut füllt erst seit knapp 10 Jahren Weine in Flaschen und hat im Zuge der Zertifizierung den Betrieb komplett von Landwein auf Qualitätswein umgestellt. Die Zertifizierung und die damit verbundene Rückverfolgbarkeit soll in Zukunft den Zugang zu weiteren Händlern erleichtern. Grund für die Teilnahme Waleks war vor allem die Schaffung eines durchgängigen Gesamtkonzepts zu Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit und auch die Verbesserung der Qualität im Betrieb. Ein weiteres Motiv war, als Vorreiter zu den ersten zertifizierten Betrieben zu zählen und dies kommunikativ zu nutzen.
Für den Weinviertler Winzer Gerhard Gschweicher aus Röschitz war schon bei der Einführungsveranstaltung klar, dass er am Audit gleich am Anfang teilnehmen wollte. Im Betrieb wurde bereits seit Jahren auf hohem Niveau gearbeitet, sei es im Weingarten, im Keller oder auch bei der Vermarktung. Dennoch fehlte eine einheitliche, durchgängige Struktur dahinter. Gschweicher wollte mit der Zertifizierung einerseits einen weiteren Qualitätssprung machen und andererseits dem Konsumenten gegenüber noch transparenter werden, speziell im Bereich der Rückverfolgbarkeit. Bei den Vorbereitungen auf das Audit wurden auch Fehlerquellen im Betrieb sichtbar, die nun sehr leicht ausgemerzt werden können. Besonders wichtig empfand Gschweicher das intensive, mehr als einen Tag dauernde Audit selbst und die Diskussion mit dem unabhängigen Auditor: „Ich sehe im Auditor einen herausragenden Berater, der als Außenstehender einen ganz anderen Einblick in den Betrieb hat und mit dem man auf höchstem fachlichen Niveau über alle Probleme und Schwierigkeiten im Betrieb diskutieren und sich Rat für Verbesserungen holen kann“, so Gschweicher begeistert.
Roman Pfaffl schätzt, dass sich im Sommer 2009 weitere 20 Betriebe zertifizieren lassen wollen: „Im Frühjahr gibt es weitere Einführungsveranstaltungen, wir werden auch die enge und hervorragende Zusammenarbeit mit den Weinbauberatern im Gebiet fortsetzen. Sie sind eine große Unterstützung bei der Vorbereitung der Betriebe.“