Ein ungewöhnliches Weinjahr bringt perfektes Traubenmaterial für Spitzenqualitäten
Um sich an ein derart perfektes Herbstwetter zu erinnern, müssen die Winzerinnen und Winzer der jungen Generation des Weinviertels schon in ihren Kindheitserinnerungen kramen oder auf die Jahrgangserzählungen ihrer Eltern und Großeltern lauschen. Der Witterungsverlauf des Jahres war – wie im gesamten Wein-Österreich – äußerst sprunghaft. Zwar hat die Abfolge von Trockenheit, Regen und trockener Wärme retrospektiv gesehen im Großen und Ganzen gepasst. Aber den Weinerzeugern des größten österreichischen Weinbaugebietes wurde einiges an Nervenstärke, Entschlussfreudigkeit und Flexibilität abverlangt. In jenen Betrieben, die organisch-biologisch oder biodynamisch arbeiten, war extrem penible und sehr viel Arbeitsaufwand bei der Laubarbeit angesagt. Die Entscheidung über den Lesezeitpunkt war für alle Betriebe heikel, egal mit welcher Arbeitsweise, da sich die Reifeparameter – Zuckergradation, physiologische Reife, Traubenkerne und Festigkeit der Beerenhäute – nicht immer wie im Verlauf „normaler“ Jahre entwickelten. Dafür wurden die Winzer und Erntehelfer mit einer Lese bei prachtvollem Wetter und ausgezeichnetem Traubenmaterial belohnt.
Extra langer Winter, extra heißer Juli, extra schöner Herbst
Nach einem langen und feuchten Winter und einem eher kühlen Frühjahr, was auch den Austrieb leicht verzögerte, aber die Grundwasserspeicher gut füllte, begann speziell im nördlichen Weinviertel die Blüte etwas verspätet. Aufgrund des zu diesem Zeitpunkt rasch wärmer werdenden Wetters ging sie dafür vergleichsweise flott über die Bühne. Entlang des Manhartsberges und im nördlichen Weinviertel kam es zu leichten Schäden durch Spätfröste, während man sich im südlichen Weinviertel über einen nahezu idealen Wetterverlauf freute. Josef Pleil, Präsident des Österreichischen Weinbauverbandes, dessen Familienbetrieb in Wolkersdorf beheimatet ist, spricht in seiner Gegend von einem witterungsmäßigen „Lottosechser“.
Auf einen außergewöhnlich heißen Juli, der aber aufgrund der Wasservorräte aus dem Winter gut überstanden wurde, folgte ein regenreicher August. Der Regen setzte ein, bevor es aufgrund der schwindenden Wasserreserven zu negativen Auswirkungen gekommen wäre. September und Oktober brachten prächtigstes Herbstwetter ohne Nebel mit Temperaturen in Rekordhöhe und „machten“ so den Jahrgang: Durch Sonne und Wärme stiegen die Zuckergradationen rasch an. Dank des feucht-kühlen Augusts blieb aber genügend Säure, um diese hohen Werte zu kontern, anders als in Jahren wie 2003, in denen die Säure in dem Maß sank, in dem der Zucker zulegte. Mit Anfang Oktober wurden auch die Nächte deutlich kühler, ein Temperatur-Wechselspiel, das wichtig für eine intensive aromatische Ausprägung ist und so manchem Winzer richtiggehend „herbeigesehnt“ wurden.
Spitzenqualität mit Wermutstropfen
Mit der Qualität des eingebrachten Traubenmaterials ist man hochzufrieden, wie den Statements der Betriebe zu entnehmen ist. Das Material für Weißweine wie für Rotweine war sehr gesund und hoch – keinesfalls überreif. Die Balance aller Komponenten ist ausgesprochen gut, die ersten fertigen Weine bzw. all das, was derzeit noch im Endstadium der Gärung ist, präsentieren sich ausgeprägt aromatisch und frisch. Aufgrund der hohen Zuckerwerte werden die Weine heuer tendenziell kräftiger ausfallen. Auch Weinviertel dac Weine könnten leicht höhere Werte als üblich erreichen.
Einziger Wermutstropfen bei aller Euphorie ist, dass es diese Topqualitäten nicht in allzu großer Menge geben wird. Ursache dafür ist „Verrieseln“, d.h. der geringere Traubenansatz durch die nicht ideal verlaufene Blüte, was zu geringeren Erträgen führte und vor allem der Haus- und Hofsorte des Weinviertels, dem Grünen Veltliner, zugesetzt hat. Dem Verrieseln können aber auch positive Aspekte abgewonnen werden: Die Beeren standen deutlich lockerer, trockneten daher bei Feuchtigkeit rascher ab und drückten sich auch nicht gegenseitig auf, was in Kombination mit dem Know how der Betriebe und der guten Arbeit im Weingarten zu der außergewöhnlichen Qualität des Jahrgangs beigetragen hat.